Die Katholisch-Theologisch Fakultät Graz
trauert um
Prälat Em. O. Universitätsprofessor Dr. Karl Amon (1924-2017)
Am 10. Jänner 2017 verstarb in Graz der langjährige Leiter des Instituts für Kirchengeschichte der Katholisch-Theologischen Fakultät, Prälat Univ.-Prof. Dr. Karl Amon. Dieser, am 13. März 1924 in Bad Aussee geboren, war das älteste von drei Kindern des Ehepaares Karl und Franziska Amon. Nach der Volksschule und einem Jahr Hauptschule absolvierte er von 1935 bis 1938 das Bischöfliche Gymnasium in Graz, nach dessen Aufhebung das Akademische Gymnasium in Graz, wo er auch maturierte. Von Juli bis Dezember 1942 wurde er zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Während der drangvollen NS-Zeit gehörte der Jugendliche zur Gruppe bekennerhafter Christinnen und Christen am Grazer Dom, die sich regelmäßig in der Barbarakapelle zum Gottesdienst trafen (später als „Barbaragemeinde" bezeichnet).
Eine Verwundung Amons an der Ostfront im August 1943 hatte zur Folge, dass ihm das rechte Bein bis zum Oberschenkel amputiert werden musste. Schon während seines Lazarettaufenthaltes im Februar 1944 begann er mit dem Theologiestudium an der Theologischen Lehranstalt des diözesanen Priesterseminars in Graz und schloss jenes 1948 an der wiedererrichteten Katholisch-Theologischen Fakultät der Grazer Karl-Franzens-Universität ab. Er zählte zu den sechzehn Kandidaten, die am 11. Juli 1948 von Bischof Ferdinand Stanislaus Pawlikowski im Grazer Dom zum Priester geweiht wurden und in den darauf folgenden Jahrzehnten die steirische Kirche in verschiedenen Aufgabenbereichen mitgestalteten. Einige von ihnen wirkten als Seelsorger in den Pfarren, andere übernahmen leitende Funktionen, wie beispielsweise Johann Reinisch als langjähriger Ordinariatskanzler. Die Grazer Brüder und Weihekollegen Karl und Anton Lukesch waren Jahrzehnte ihres Lebens in den abgelegensten Gegenden Südamerikas mit großem Einsatz als Missionare und Ethnologen tätig. Der damals 24-jährige Bad Ausseer Karl Amon schließlich, der am 25. Juli 1948 seine Primiz in seiner Heimatpfarre feierte – die Primizpredigt hielt Dr. Georg Hansemann, später ein Kollege als Theologieprofessor an der Universität – , stellte seinen priesterlichen Weg ganz in den Dienst der Wissenschaft.
Die Berufung zum wissenschaftlichen Forschen und Lehren zeichnete sich bei Karl Amon, der auch vom Bund Neuland, aus der katholischen Jugendbewegung hervorgegangen, geprägt wurde und dort engagiert war, recht früh ab. Der Neupriester widmete sich neben seiner erzieherischen Tätigkeit an den Grazer Seminaren in den folgenden fünf Jahren dem Studium der Germanistik und der Anglistik. Zeitgleich entstand die historisch-theologische Dissertation mit dem Titel „Geschichte des Benediktinerinnenklosters Traunkirchen im Salzkammergut", erschienen 1949 in Graz. Diese war ausschlaggebend dafür, dass Karl Amon des Weiteren die Dozentur für Kirchengeschichte anstrebte. Seine Habilitationsschrift trug den Titel „Die Steiermark vor der Glaubensspaltung. Kirchliche Zustände 1490 bis 1520" und wurde 1960 in Graz veröffentlicht. Amon erhielt 1959 die Lehrerlaubnis für das Fach Kirchengeschichte und Patrologie.
Als der Obersteirer, der auch am Institut für Österreichische Geschichtsforschung in Wien hospitierte (1957-1959), am 1. Oktober 1960 die Nachfolge von Andreas Posch als ordentlicher Universitätsprofessor für Kirchengeschichte antrat, waren – im Gegensatz zu heute – die Theologieprofessoren ausschließlich Priester. Der Großteil der Hörer studierte katholische Theologie, um Priester zu werden. Über 27 Jahre vermittelte Karl Amon das kirchenhistorische Fachwissen den künftigen Seelsorger/inn/en und Laientheolog/inn/en unseres Landes. Als Wissenschafter unermüdlich tätig, bildete er einen Schülerkreis aus, der bekannte Kirchenhistoriker in Österreich und Deutschland, Laien und Priester, hervorbrachte, wie beispielsweise Rudolf Zinnhobler (1931-2016), Ulrich Faust, Maximilian Liebmann oder Karl Frankl. Amon war wesentlich daran beteiligt, dass sich bei ihm 1962 Johannes Baptist Bauer (1927-2008) als erster Laientheologe im deutschen Sprachraum für das Fach Patrologie habilitieren konnte. Gesundheitliche Gründe führten dazu, dass er, der auch 1963/64 dem Senat angehörte und 1964/65 als Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät vorstand, im Jahr 1987 emeritiert wurde.
Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit war Karl Amon stets bemüht, als Seelsorger zu wirken und die Sakramente zu spenden. Vor seiner Ernennung zum Universitätsprofessor war er in der Leitung des steirischen Priesterseminars tätig. Er unterrichtete zudem an einer Grazer Mittelschule, wirkte als Bücherzensor und als Synodalrichter am Bischöflichen Diözesangericht. Viele Jahrzehnte feierte er bei den Kreuzschwestern im Antoniusheim, das sich in der Heinrichstraße befindet, den sonntäglichen Gottesdienst.
Nicht nur der Historie galt Amons wissenschaftliche Schaffenskraft, sondern auch der Liturgie und Kirchenmusik, was sich an den Mitgliedschaften diözesaner Kommissionen zeigte. Er war einer der Wegbereiter bei der Umsetzung der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils und wirkte federführend bei der Erstellung des neuen Deutschen Messbuches mit. Einige Textstrophen des Liedes „Der Abglanz des Vaters" zu Epiphanie im Gebet- und Kirchengesangsbuches „Gotteslob" stammen aus der Feder des herausragenden Liturgiewissenschafters und ehemaligen Lehrbeauftragten an der Kirchenmusik-Abteilung der Akademie für Musik und darstellende Kunst in Graz (heute Kunstuniversität).
Der unter Historikern sehr geschätzte Amon war seit 1971 Mitglied der Historischen Landeskommission für Steiermark, wo er sich besonders der Quelleneditionen von Visitations-, Ordinations- und Konsekrationsprotokollen annahm, und seit 2006 Ehrenmitglied derselbigen. So brachte er 1993 „Die Salzburger Archidiakonenvisitation von 1523 bis 1525 in der Steiermark (= Quellen zur geschichtlichen Landeskunde der Steiermark, Band 12)" heraus.
An den Forschungsschwerpunkten seines umfangreichen OEuvres, das vor allem dem Mittelalter und der Reformationszeit, dem Erzbistum Salzburg, den Bistümern (Graz-) Seckau und Passau galt, lassen sich Züge seiner heimatlichen Verbundenheit mit dem Ausseer Land erkennen. Für die Erforschung der regionalen (Kirchen-)Geschichte bedeutete der stille, bescheidene Gelehrte Karl Amon, der Ehrungen und Auszeichnungen stets ablehnte, einen Glücksfall, zumal sein Interesse auch auf das pfarrlich-kirchliche Leben des Salzkammergutes, besonders des Hallortes und Marktes Aussee, und die Leonhard-Forschung fokussiert war.
Mit dem Namen Karl Amon sind unauslöschlich herausragende Werke zur Kirchengeschichte unseres Landes verbunden: so die Gesamtdarstellungen „Die Bischöfe von Graz-Seckau 1218-1968" (Graz-Wien-Köln 1969) und „Die Grazer Stadtpfarren. Von der Eigenkirche zur Großstadtseelsorge" (Graz–Wien–Köln 1980), die zusammen mit seinem Nachfolger Maximilian Liebmann herausgegebene und in wesentlichen Teilen von jenem verfasste „Kirchengeschichte der Steiermark" (Graz-Wien-Köln 1993) anlässlich des 775-jährigen Diözesanjubiläums, zudem die mehrfach aufgelegte und in andere Sprachen übersetzte „Geschichte der katholischen Kirche" (Graz-Wien-Köln 1993), herausgegeben zusammen mit Josef Lenzenweger, Peter Stockmeier, Johann B. Bauer und Rudolf Zinnhobler. Das zuletzt genannte Werk regte der obersteirische Kirchenhistoriker an und verfasste es auch in großer Sachkenntnis mit.
Sein Begräbnis findet am Montag, dem 16. Jänner 2017, um 13.00 Uhr in der Pfarrkirche Bad Aussee statt.
Das Institut für Kirchengeschichte und Kirchliche Zeitgeschichte wird dem hochgeschätzten Verstorbenen ein ehrendes Andenken bewahren.
Requiescat in pace.
Für das Institut für Kirchengeschichte und Kirchliche Zeitgeschichte: Michaela Sohn-Kronthaler