Es wird darin sowohl die wichtige Bildungsaufgabe des bestehenden konfessionellen Religionsunterrichts wie auch die Notwendigkeit einer umfassenden ethischen Bildung aller Schülerinnen und Schüler durch den alternativen Ethikunterricht festgehalten. In den Erläuterungen zum Ministerialentwurf wird die „Kooperation des Staates mit den Kirchen und Religionsgesellschaften“ hervorgehoben. An einem Punkt der Vorlage findet sich jedoch nicht das Kooperations-, sondern ein Abgrenzungsmodell: Bei den Bezugswissenschaften wird „Theologie“ nicht genannt. Die folgende Stellungnahme bezieht sich auf den Satz: „Grundlagenwissenschaft des Ethikunterrichts ist die Philosophie. Bezugswissenschaften sind Psychologie, Soziologie, Religionswissenschaft aber auch Geschichte, Rechtswissenschaft, Biologie, Wirtschaftswissenschaft, Politologie u.a.“
Hier ist aus den folgenden Gründen „Theologie“ zu ergänzen.
1) Im Lehrplan für den Ethikunterricht ist eine ausführliche Auseinandersetzung mit verschiedenen religiösen Traditionen vorgesehen. Religionen können jedoch nicht ohne ihre Theologien verstanden werden. Die als Bezugswissenschaft genannte Religionswissenschaft stellt nicht den einzigen Zugang zu den Religionen dar. Theologien unternehmen die wissenschaftlich multidisziplinäre, kritische Reflexion der jeweiligen Religion aus einer Innenperspektive heraus. Damit stellen sie einen wichtigen wissenschaftlichen Beitrag für einen Diskurs in einer wertepluralistischen Gesellschaft dar.
2) Die theologischen Fakultäten sind seit vielen Jahren in der Ausbildung für Ethiklehrerinnen und Ethiklehrer tätig. Sie haben in der Ausarbeitung der diversen Curricula mitgewirkt und sind an den verschiedenen Studienstandorten durch mehrere Professuren (Sozialethik, Theologische Ethik, Christliche Philosophie, Pastoralpsychologie, Religionspsychologie u.a.) eng in die Ethikausbildung involviert.
3) Die Ethik-Institute der theologischen Fakultäten an österreichischen Universitäten sind seit Jahrzehnten in staatlichen Gremien, Ethikkommissionen und Institutionen (z.B. Institut für Ethik und Recht in der Medizin) beratend und zum Teil auch leitend tätig.
4) Da die Geschichte der philosophischen Ethik in Europa über Jahrtausende hinweg vor allem mit den christlichen Theologien verwoben war, ist für die philosophische Ethik selbst die Theologie eine wichtige Bezugswissenschaft, um ihre eigene Geschichte verstehen zu können.
5) Durch den Bezug auf Theologie kann eine philosophische Ethik verhärtete Frontstellungen zwischen säkularistischen und religiös-fundamentalistischen Gruppen aufbrechen. Philosophie und Theologie haben eine lange und erfolgreiche Tradition des Dialogs. In der aktuellen christlichen Theologie wird zudem Ethik nicht als Anwendung dogmatischer Aussagen betrieben, sondern auf der Basis philosophischer Vernunft; damit ist die Diskursfähigkeit in den säkularen Raum wesentliches Element auch der religiösen Ethik. Wir fordern daher, „Theologie“ explizit als Bezugswissenschaft in den Gesetzestext aufzunehmen. Unser Textvorschlag lautet folglich: „Grundlagenwissenschaft des Ethikunterrichts ist die Philosophie. Bezugswissenschaften sind Psychologie, Soziologie, Religionswissenschaft und Theologie, aber auch Geschichte, Rechtswissenschaft, Biologie, Wirtschaftswissenschaft, Politologie u.a.“
Die Dekane der theologischen Fakultäten Österreichs:
ETF Wien: Rudolf Leeb
KTF Wien: Johann Pock
TF Graz: Christoph Heil
TF Innsbruck: Josef Quitterer
TF Linz: Christoph Niemand
TF Salzburg: Alois Halbmayr
Stellungnahme zum Ministerialentwurf mit dem Titel “Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz und das Land und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz geändert werden” (Referenz: NationalratXXVII25/ME)
Ethikunterricht: Dekane fordern Theologie als Bezug
Link zum Beitrag: https://religion.orf.at/stories/3003786/ (15.06.2020)