Ihre wissenschaftliche Karriere war keine gewöhnliche: Nach dem Studium der Theologie und Philosophie fasste Gunda Werner in verschiedensten Tätigkeitsbereichen Fuß – von der Altenpflege über die Schulseelsorge bis hin zur Bildungsarbeit und zum Veranstaltungsmanagement. Daneben schrieb sie ihre Dissertation zur Frage „Macht Glaube glücklich?“. Untertitel: Freiheit und Bezogensein als Erfahrung persönlicher Heilsgeschichte. Im Zuge eines Sabbaticals setzte sich die Deutsche für 400 Tage auf den Sattel und radelte von Bonn nach Japan. „Diese Erfahrung war für mich extrem prägend, ich habe einen neuen Blick auf den Alltag in anderen – auch muslimischen – Ländern gewonnen, über Gastfreundschaft viel gelernt und über die Gefährdung von Frieden durch Wasserknappheit, verfestigte Vorurteile sowie Dialogverweigerung und Angst“, berichtet sie.
Das enorme Interesse an der Wissenschaft zog Werner nach dieser Weltreise an die Universität. Mit 40 nahm sie in Bochum eine Assistentenstelle an und habilitierte sich in Rekordzeit – übrigens als erste Frau an der Fakultät in Bochum – im Fach Dogmatik. Seit 1. April 2018 ist sie die erste Professorin für Dogmatik an der Universität Graz. „Ich fühle mich hier perfekt aufgenommen. Die etablierte Genderforschung und der Dialog mit anderen Theologien – speziell mit dem Islam – sind ein optimales Umfeld für meine Arbeit“, ist sie über den Schritt nach Österreich glücklich.
In ihrer Forschung befasst sich Werner mit gesellschaftsrelevanten Fragen und bemüht sich um das Aufdecken von Strukturen, die Gleichstellung und Demokratie gefährden. Gemeinsam mit Irmtraud Fischer hat sie unlängst eine Fachtagung zu Missbrauchsfällen in der Kirche veranstaltet. Außerdem beantragt sie ein Drittmittelprojekt zu Pfingstkirchen, die tendenziell illiberal eingestellt sind und andere Religionen, Lebensformen und Meinungen ausgrenzen. „Ich sehe es als meine Verantwortung als Wissenschafterin, dort einzugreifen, wo Religion und religiöse Gemeinschaften demokratische Grundprinzipien gefährden“, betont Werner.
Der Bezug zur Lebensrealität der Menschen ist ihr auch in der Lehre wichtig. „Schließlich habe ich zwanzig Jahre Praxiserfahrung, das prägt“, meint die Theologin. Dogmatik betreffe nicht nur Glaubensinhalte oder die kirchliche Seelsorge, sondern die Frage nach der Gerechtigkeit und Anerkennung. Damit spielt sie in vielen Bereichen des alltägliche Zusammenlebens eine Rolle, wenn es etwa um Macht, Geschlechterverhältnisse oder den interreligiösen Dialog geht.