Begreift ihr meine Liebe? Begreift ihr, was ich für euch getan habe? Diese Frage Jesu an die Jünger und Jüngerinnen steht im Zentrum der Gottesdienstordnung zum Weltgebetstag der Frauen aus Bahamas 2015, welche die Erzählung vom Letzten Abendmahl im Johannesevangelium in den Blick nimmt. Damit steht zugleich der Akt der Fußwaschung im Zentrum der Aufmerksamkeit.
Das ist für Frauen kein einfacher Text. Zum einen ist er in verschiedenen Kirchen, wenn auch nicht in allen, durch die Liturgie geprägt. Darin wird Jesus repräsentiert durch den Papst, einen Bischof oder Priester, der sich herabbeugt und die Füße wäscht. Auch wenn in manchen Freikirchen oder Sondergottesdiensten diese Rolle ersetzt wird, dominant ist das andere Bild. Die Rollenverteilung ist bei diesem heiligen Spiel nämlich unveränderlich: Der Papst, Bischof oder Priester wäscht anderen die Füße. So wird zwar die Hierarchie für einen Moment auf den Kopf gestellt, aber sie wird in dieser Umkehrung zugleich bestätigt. Wer nämlich demutsvoll die Füße anderer waschen darf, darf ja in die Rolle Jesu schlüpfen, während die anderen immer nur die Jünger spielen dürfen. So bestätigt sich im fußwaschenden Papst - gerade in diesem Demutszeichen -, dass er "Stellvertreter Christi" auf Erden ist. Unbeschadet der persönlichen Redlichkeit, die Papst Franziskus sicher nicht abzusprechen ist, wird die übliche Hierarchie durch die Herablassung auf subtile Weise bestätigt und gefestigt. Doch darum geht es gar nicht: Der Befehl Jesu lautet, einander die Füße zu waschen - und da bleibt Jesu Rolle unbesetzt.
Doch jenseits dieser einseitigen Rollenverteilung gibt es ein viel größeres Fragezeichen hinter der Fußwaschungstradition. Die Auslegung betont meistens den Dienst an den Nächsten als Nachahmung der Liebe Jesu und Gottes. Aber sind es nicht die Frauen, die ohnehin stets zum Dienst bereit und zur Demut genötigt sind? Sind sie nicht ohnehin allzu oft diejenigen, deren Liebe ausgenutzt wird, um ihre Unterordnung zu zementieren?
Die Gefahr, dass die Fußwaschung vor allem mit der Moralforderung des "Tun-Müssens" interpretiert wird, ist groß. Umso wichtiger ist es, dem Kontext und dem Text des Johannesevangeliums intensiv nachzugehen. Wird es eingebettet in die Situation der johanneischen Gemeinden, erschließen sich manche Themen neu. Aber auch ein genauer Blick auf die Fußwaschung selbst fördert gegenüber den herkömmlichen Auslegungen einen besonderen Aspekte zutage. Die zentrale Szene mit Petrus zeigt, dass vor dem Geben das Empfangen kommt. Jesus selbst erfährt dies in der Fußsalbung der Maria von Betanien (Joh 12). Und so ist der erste Schritt zu fragen: Bin ich bereit, mich beschenken zu lassen? Habe ich schon Liebe empfangen und kann deshalb geben, oder stehe ich noch auf der Seite, die von anderen Dienste empfängt? Die Frauen aus Bahamas beantworten diese Frage auf ihre ganz eigene Weise.
Ulrike Bechmann und Joachim Kügler